Neue Website

Therapie gegen den kulturellen Lockdown

Am 6.1.20 stehe ich zum letzten Mal als Don Alfonso in Così fan tutte bei neuestheater.ch in Dornach auf der Bühne – eine wunderbare Produktion. In den immer etwas vorhandenen Abschiedsschmerz, wenn eine Produktion abgespielt ist, mischt sich Vorfreude auf Kommendes: Das Mozart-Requiem, Zuniga in einer Freilicht-Produktion von «Carmen», Frank in der «Fledermaus» wieder in Dornach, meine erste Rolle am TOBS als Gualtiero in Puccinis wunderbarem Frühwerk «Edgar», vor allem aber die vier Bösewichte in Offenbachs «Contes d’Hoffmann» in Neuchâtel: eine – oder noch besser – gleich vier Traumrollen und gleichzeitig eine grosse sängerische Herausforderung. An diesem Tag hätte niemand gedacht, dass all dies einem chinesischen Virus zum Opfer fallen würde (vielleicht war ja die Rolle in der «Fledermaus» ein böses Omen 😉 ? Jedenfalls: Requiem um mindestens ein Jahr verschoben, «Carmen» zunächst um ein Jahr verschoben, dann ganz abgesagt, weil die Sponsoren in finanzielle Nöte geraten und sich von ihren Verpflichtungen zurückziehen, «Edgar» eine Woche vor Probenbeginn abgesagt, «Les Contes d’Hoffmann» auf Frühsommer 2021 verschoben… Zustande kam ein vom Frühling auf Ende Oktober geschobenes Konzert in Morges mit Werken von Mozart – nota bene ohne irgendwelche coronabedingten Probleme… Auch die «Fledermaus» wird in einer auf Corona-Verhältnisse zurechtgestutzten Version (Verzicht auf Chor und Orchester, zwei Vorstellungen pro Abend in einer leicht gekürzten Fassung vor 30 Zuschauern) einstudiert, die Premiere wird aber dann zur Dernière: Am Tag nach der Premiere tritt der Kultur-Lockdown in Kraft, der bis Ende der Spieldauer der Produktion nicht aufgehoben wurde…

Wie erhält man sich als Sänger seine Motivation in einer solchen Zeit? Man arbeitet weiterhin an der Rolle der Bösewichte in «Hoffmann», mit einem kleinen Fünkchen Hoffnung, dass Ende Mai / Anfang Juni wieder Oper gespielt werden darf. Und ergreift die Gelegenheit, die frei gewordene Zeit für eine neue Website zu nutzen: Durch einen Zufall begegne ich Benjamin Schluep (im digitalen raum), der ganz in der Nähe wohnt und mir ein einfaches, aber ganz tolles Konzept für eine neue Website vorschlägt und mir mit seinem grossen Knowhow in Web-Marketing viele Tipps gibt, wie 2021 eine Website grafisch und inhaltlich aussehen sollte. Mit Reto Andreoli (Reto Andreoli Fotografie) vermittelt er mir zudem einen aussergewöhnlichen Fotografen für ein Shooting – Michi Schär hatte mir zwar vor einigen Jahren bereits tolle Fotos produziert, man will ja aber nicht, dass das Publikum nach einem Auftritt sagt: «Na ja, die Fotos in Programmheft und auf der Website sind zwar toll, seit sie gemacht wurden, muss es aber ein halbes Jahrhundert vergangen sein…». Mit Reto vereinbare ich ein Shooting von drei Stunden, und auch Benjamin macht sich die Mühe, die ganze Zeit dabei zu sein, damit am Schluss alles ins grafische Konzept passt – inklusive Hintergründe in Violett, Schwarz und Weiss und einem Augenzwinkern auf der Homepage (schon bemerkt?). Am Schluss dauert das Shooting über fünf Stunden, und wir müssen uns noch einmal treffen, um aus 600 (!!!) Fotos die wenigen auszuwählen, die es auf die Website schaffen. Erkenntnis aus diesem Shooting: Ich kann nachvollziehen, dass Heidi Klums Models Schwerstarbeit leisten und intellektuell mehr als bisher angenommen gefordert sind. Und: Unglaublich, welche Wunder ein so toller Fotograf wie Reto Andreoli mit einem unterdurchschnittlichen Model wie mir wirken kann – danke für die Geduld, ich weiss, dass für ein etwas talentierteres Model als ich wohl ein Drittel der Fotos mehr als ausreichend gewesen wäre…

Auf das Ergebnis der Zusammenarbeit mit Benjamin Schluep und Reto Andreoli bin ich stolz: Ein riesiges Dankeschön den beiden für ihre Geduld, ihr Können, ihr Engagement und die unkomplizierte und vergnügliche Zusammenarbeit!

Und damit: Die Website ist fertig, nun muss es nur mit der Singerei weitergehen, und mittlerweile gibt es ja auch ein paar Zeichen der Hoffnung: Wenn in der Schweiz mit den Selbsttests für den Hausgebrauch vorwärts gemacht wird und es möglich ist, sich vor einem Konzert- oder Theaterbesuch unkompliziert zu Hause zu testen, können wir Solisten vielleicht bald wieder mit Chor und Orchester vor einigermassen vollen Häusern spielen? Wer hätte vor gut einem Jahr gedacht, welch grosser Traum damit 2021 in Erfüllung gehen würde…

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2021-04-13T16:43:59+02:00
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